Paolo verbrachte den ganzen Tag in der Kirche des Heiligen Sebastian: Er plante, er malte und ließ malen. Er steckte sein Herzblut in dieses Projekt: Seine persönliche „Sixtinische Kapelle“. Paolo hatte soeben sein letztes Projekt im Dogenpalast zu Ende gebracht, als dieses neue Großprojekt hereingeschneit war, das ihm der Bauherr und Prior Bernardo Torlioni, ein Landsmann aus Verona, verschafft hatte.
Die Leute munkelten hinter vorgehaltener Hand, dass Paolo einen Adeligen beleidigt hatte und aus diesem Grund Tag und Nacht in der Kirche beim Malen verbrachte: Diese Arbeiten gaben ihm ein triftiges Alibi um seine Zeit dort zu verbringen und Schutz vor der Vergeltung des Adeligen zu suchen.
Natürlich war dies nur Klatsch und Tratsch und wird heute als Legende betrachtet.
Auf Paolo Caliari, der als Veronese bekannt geworden war, sollte jedoch noch eine Auseinandersetzung mit einer der gefürchtetsten Institutionen des 16. Jahrhunderts zukommen: Der Inquisition.
Der Grund für das Interesse der Inquisition an Veronese war eines seiner Gemälde aus dem Jahr 1573.
Hier findet ihre eine größere Ansicht.
Der Betrachter blickt auf ein pompöses Renaissance-Ambiente, das von 3 Bögen eingerahmt wird: Gleich einem Triumphbogen oder eines Bogengangens. Der Treppenaufgang weist jedoch darauf hin, dass wir uns im Inneren einer pompösen Villa befinden und nach draußen blicken. Unter den Gewölben dieses Portikus zieht sich ein meterlanger Tisch von links nach rechts, der von diversen reich gekleideten Männern gesäumt wird.
Doch wer sind die Gestalten, die wir hier im Bild sehen?
Wir sehen den Hausherrn, der rechts an der Treppe steht und, so scheint es, einen kleinwüchsigen Narren und einen jungen farbige Diener beobachtet. Bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch, dass er seinen Gast (in der Bildmitte) aus den Augenwinkeln beobachtet. Links vom Narren sehen wir einen Mann, der an Nasenbluten leidet und die Treppe hinab schreitet (Das blutige Taschentuch hält er noch immer in der Hand!), während andere Diener mehr Essen und Wein für die Gäste bringen. Darüber sehen wir Männer islamischen Glaubens mit Turbanen, die die Wand empor klettern.
An der rechten Treppe stehen zwei Soldaten, die ihre Speere in der Hand halten. Es scheint, als wären sie anwesend um für Ordnung sorgen. Bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch, dass sie selbst am Bankett teilnehmen und sich den Wein und das Essen schmecken lassen. Diese Soldaten sind keineswegs Soldaten der italienischen Halbinsel (Italien existierte als vereinigter Staat noch nicht im 16. Jahrhundert!), sondern ihrem Aussehen nach zu urteilen deutschsprachige Lanzenträger.
Auch die Tierwelt ist in diesem Gemälde nicht zu kurz gekommen
Wir sehen einen großen Hund, der mitten im Bild vor dem Tisch sitzt, einen zweiten Hund hinter dem Stuhl eines kirchlichen Würdenträgers und unter dem Tisch, in der Bildmitte, eine Katze, die sich auf dem Boden räkelt.
Sogar ein Papagei ist anwesend. Habt ihr ihn gefunden?*
Auch am Tisch geht es heiter zu. Die Männer sind ausgelassen: Einer von ihnen stochert sogar mit einer Gabel in seinen Zähnen herum. Habt ihr entdeckt wo dieser Herr mit den schlechten Tischmanieren sitzt?**
Damit nicht genug: Veronese war auch einer der ersten Marketing-Spezialisten der Geschichte. In diesem Gemälde preist er feine venezianische Waren an. Seht euch doch nur die wunderschönen Glaskelche, die gläsernen Weinkrüge und kostbaren Stoffe mancher Gäste an. „Product placement“ würde man dies heute nennen: „Werbemaßnahmen, bei der das jeweilige Produkt wie beiläufig, aber erkennbar ins Bild gebracht wird.“
Ganz schön schlau von Veronese, nicht wahr?
Könntet ihr mir nun, nach dieser Beschreibung, das Thema des Gemäldes nennen bzw. hättet ihr erraten, dass es sich um ein letztes Abendmahl handelt?
Wahrscheinlich nicht. Genauso ging es der Inquisition, die nun Veronese fragte, was ein kleinwüchsiger Narr und ein nasenblutender Mann denn eigentlich mit diesem zentralen religiösen Ereignis zu tun hätten. Ganz zu schweigen von den deutschsprachigen Lanzenträgern (!): Das Konzil von Trient, DIE Maßnahme der römisch-katholischen Kirche um der Reformation aus Deutschland entgegen zu wirken war gerade vor 10 Jahren zu Ende gegangen und nun malte dieser Veronese protestantische Lanzenträger in ein römisch-katholisches Gemälde. „Du spinnst wohl?“, dachten sich wahrscheinlich die religiösen Würdenträger.
Paolo antwortete ganz gelassen, dass Künstler nun Mal wie Verrückte und Dichter seien und oft einer eigenen Inspiration folgten. Um das Problem zu lösen benannte er das Gemälde ganz einfach um. So heißt dieses Meisterwerk des Veronese heute nicht mehr „Das letzte Abendmahl“, sondern ganz neutral „Das Gastmahl im Hause des Levi“.
Lösung
*Auf dem Arm des Narren
**Seht auf die zweite Säule von links: Rechts von der Säule seht ihr den Mann, der seine Gabel als Zahnstocher verwendet.