Ihr habt sicher schon vom Panettone gehört, aber wie sieht es mit dem Pandoro aus?
Beide Gebäcke finden ihren Ursprung in Norditalien: Der Panettone in Mailand, das Pandoro in Verona.
„Das große Brot“. Der Panettone.
Es gibt keinen Zweifel: Der Panettone war zuerst da. Das Rezept des Panettone zirkulierte schon im 16. Jahrhundert und wurde in der Rezeptsammlung eines gewissen Cristoforo di Messisbugo, einem Koch aus Ferrara, gefunden, der 1549 von einem süßen Gebäck spricht, das in der Gegend um Mailand gebacken wird und aus Mehl, Butter, Zucker, Eiern und Milch besteht. Die kandierten Früchte und Rosinen fehlen noch, aber der Teig ist derselbe.
Zahlreiche Legenden spinnen sich um den Ursprung des Panettone
Eine der bekanntesten Legenden erzählt vom Hof des Ludovico Maria Sforza: Es war der Vorweihnachtsabend im Jahr 1495 und ihr könnt euch vorstellen wie geschäftig es zuging. Der komplette Hofstaat war zusammen gekommen um die Geburt Jesus Christus zu feiern. Es wurde gegessen, getrunken, gelacht und gescherzt. In der Palastküche brodelte und dampfte es, die Luft war gefüllt mit dem Duft gebratenen Fleisches, Gemüse, Fisch und … dem zarten süßlichen Duft eines Desserts.
Der Chefkoch hatte alle Hände voll zu tun mit den diversen Vorbereitungen und beauftragte einen Küchenjungen namens Toni, 12 Jahre alt, die riesigen süßen Donuts, die im Ofen vor sich hin buken im Auge zu behalten. Erschöpft von der schweren Arbeit der letzten Tage, vom Stress am Tag des Banketts um die vielen Gänge zeitgerecht zu den hohen Gästen zu bringen und von der Wärme des Ofens in den Schlaf gewiegt, fielen Toni die Augen zu. Er wachte mit klopfendem Herzen auf und sah, dass die Donuts sprichwörtlich in Rauch aufgegangen waren. „Was jetzt? Was soll ich nur tun?“, dachte Toni verzweifelt. „Der Koch wird mir den Kopf abreißen.“ Er nahm geschwind die Überreste des Teiges und fügte Eier, Butter und kandierte Früchte und Rosinen hinzu.
Der Koch war zuerst kritisch, aber der himmlische Duft, der von Tonis Kreation ausging, vernebelt dem Koch alle Sinne und siehe da, als das Brot des Toni serviert wurde waren alle Gäste vollauf begeistert. Der Koch hütete sich natürlich davor zu gestehen, dass nicht ER der Erfinder war, aber schlussendlich kam die Wahrheit doch ans Licht und so wurde die neue Erfindung als Brot des Toni, „el pan de toni“ bekannt, das später verkürzt wurde zu „Panettone“.
Die zweite Legende …
…spricht von Ughetto, Sohn des Giacomo Atellani und ergo Sprössling einer wohlhabenden Familie. Er verliebte sich in Adalgisa, die Tochter eines einfachen Bäckers, doch genau wie bei Romeo und Julia stellte sich die Familie Atellani gegen die Heirat der beiden. Also begibt sich Ughetto als Küchenjunge in den Dienst der Backstube der Geliebten und verbessert das Brot, das dort gebacken wird, mit Butter und Zucker. Ein riesiger Erfolg! Doch damit nicht genug. Ughetto beschließt das Rezept noch weiter zu verbessern und gibt bei der zweiten Zubereitung Zitronat und Eier zum Teig und nun stehen die Leute tatsächlich Schlange um dieses feine neue Gebäck zu kosten. Ughetto und Adagisa heirateten natürlich und lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage.
Übrigens: Ughetto stammt etymologisch gesehen von „ughet“ ab, das im milanesischen Dialekt „Rosine“ bedeutet ;).
Doch in Wirklichkeit …
Tatsächlich wurden 3 große Brote bei einem milanesischen Weihnachtsbrauch verwendet, der sogenannten „cerimonia del ceppo“, der Baumstumpfzeremonie.
Pietro Verri erzählt in seiner “Storia di Milano” (1782 und 1799), dass man zu Weihnachten einen Baumstumpf mit Laubwerk und Blättern darauf verbrannte, über den man auch drei Mal etwas Wein und Wacholder goss. Währenddessen war die Familie um das Feuer versammelt und das Familienoberhaupt brach symbolisch das Brot, das mit der Familie zu teilen war, genauergesagt drei große Weizenbrote. Heute können wir uns problemlos Weißbrot leisten, doch damals handelte es sich um ein teures Gut! Diese Zeremonie wurde bis zum 15. Jahrhudert gefeiert.
Wahrscheinlich sind diese drei großen Brote der wirkliche Ursprung des Panettone, denn die Tradition Weißbrot am Weihnachtsabend zusammen zu verzehren ist historisch ab 1395 belegt, als alle Öfen in Mailand die Möglichkeit bekamen am Weihnachtstag Weißbrot zu backen. Dieses Privileg hatte das ganze Jahr hindurch nur die Bäckerei des Rosti, der die Reichsten der Stadt belieferte. Doch am Weihnachtstag, so beschloss die Bäckerzunft, sollte es keine Unterschiede zwischen Armen und Reichen geben, als Symbol des Teilens und der Gleichheit. Dieses Weißbrot, dieses Luxusbrot, das pan de Sciori oder Pan de ton genannt wurde (Weizen, Butter, Zucker und Zibibbo) ist also der Großvater des heutigen Panettone.
Die wirkliche Panettone-Revolution fand im Jahr 1919 statt, als Angelo Motta begann den Panettone industriell zu produzieren und damit zu Millionen von Personen nach Hause brachte.
Und wie sieht es mit dem Pandoro aus? Ist das nicht dasselbe?
Pandoro, das „goldene Brot“, ist sternenförmig, luftig leicht und weich und bedeckt mit einem Hauch Zucker. Erfunden wurde er anscheinend ex novo in der Stadt Romeos und Julias, in Verona, um 1500 herum zur Zeit der Serenissima Repubblica.
Andere glauben, dass es sich beim Pandoro um die Weiterentwicklung eines anderen Gebäcks handelt, und zwar des Nadalin, das auch sternförmig gebacken wird. Wieder andere glauben, dass das süße Hefegebäck aus dem Habsburgerreich das Pandoro inspiriert hätte.
Die weitverbreitetste Theorie zur Erfindung des Pandoro besagt, dass sich der Erfinder, Melegatti, an einer antiken Tradition aus Verona inspirierte: Am 24.12. kamen alle Frauen aus dem Dorf zusammen um den sogenannten Levà zu kneten, ein Hefeteiggebäck das mit Hagelzucker und Mandeln dekoriert wurde. Melegatti nahm anscheinend das Rezept des Levà und fügte Butter und Eier hinzu um den Teig luftig leicht zu machen. Den Hagelzucker und die Mandeln hingegen ließ er weg um den Gärprozess nicht zu stören. Das Pandoro war erfunden!
Die perfekte Form und eine kleine Wette
Es fehlte nur mehr die Form: Angelo Dall’Oca Bianca entwarf die pyramidale Sternenform mit 8 Spitzen, die sofort riesigen Erfolg hatte und daher von zahlreichen Leuten imitiert wurde. Melegatti schloss also eine Wette ab, in der er 1000 Lire (damals ein wirkliches kleines Vermögen) demjenigen versprach, der es schaffen würde das Pandoro nachzubacken und das exakte Rezept heraus zu finden.
Niemand hatte es geschafft die 1000 Lire zu gewinnen.
Es gibt viele Legenden und Theorien zum Pandoro, aber eines haben sie alle gemeinsam: Sie sind reich an Butter und damit eine echte Kalorienbombe. Mehl, Hefe, Zucker, Butter, Eier, Vanille und Staubzucker befinden sich im Pandoro, aber Achtung, keine kandierten Früchte oder Cremen!
Der offizielle Geburtstag des Pandoro ist der Tag der Patentanmeldung am 14. Oktober 1884 durch den Konditor Domenico Melegatti.
Doch woher stammt der Name?
Laut einer Legende ist der Name dem überraschten Aufschrei eines Gesellen zu verdanken, der, als er das Gebäck sah, schrie: „Der Teig sieht aus wie Gold!“
Fugassa veneziana – der venezianische Panettone
In Venedig und dem Veneto findet ihr ein Weihnachtsgebäck, das dem Panettone sehr ähnlich sieht: Es hat die selbe Form wie ein Panettone, es besteht aus den selben Basis-Zutaten wie der Panettone, aber es befinden sich keine kandierten Früchte darin (wie beim Pandoro) und es ist bedeckt mit Zucker und Mandeln.
Es handelt sich um die Foccaccia Veneziana. Halt, einen Moment, immer langsam mit den jungen Pferden! Die Focaccia ist doch ein salziger Snack, oder nicht? Nun ja, hier im Veneto findet ihr auch diese süße „Focaccia“ oder „Fugassa“ (im Dialekt) zu Weihnachten oder auch zu Ostern.
Und nun müsst ihr nur mehr eine Entscheidung treffen
Stellt ihr ein Pandoro, einen Panettone oder eine Fugassa auf euren Weihnachtstisch. Oder vielleicht auch alle drei?