Das Glas splitterte. Eine Hand griff in die Vitrine und zog am reglosen Körper. Der Kopf, in eine silberne Maske gehüllt, löste sich und verblieb in der Vitrine. Der restliche Körper wurde in einen Plastiksack gestopft bevor die beiden Verbrecher aus der Kirche San Geremia stürmten.
Es war der 7. November 1981 als die Reliquien der Heiligen Lucia aus Syrakus gestohlen wurden. Mehr als 30 Tage vergingen bis am 13. Dezember, Festtag der Heiligen Lucia, der Leiter der Untersuchung bekannt gab, dass die Heilige in der Lagune von Montiron wieder aufgefunden worden war.
Gianfranco Tiozzo. Das war der Name des Mannes, der in den Diebstahl verwickelt war. Man munkelte, dass auch die mafiöse Vereinigung „Mala del Brenta“, die wie der Name schon andeutet zwischen Venedig und Padua operierte und in den 90er Jahren zerschlagen wurde, an diesem Skandal beteiligt war. Nach einem Jahr wurde die Anklage gegen Tiozzo aufgrund mangelnder Beweise fallen gelassen.
Die Heilige Lucia hatte nicht nur ein sehr bewegtes Leben, sondern auch ihre sterblichen Überreste mussten so einiges durchmachen.
Wie der Name schon andeutet lebte Lucia in Syrakus, im heutigen Sizilien. Sie war die Tochter einer angesehenen römischen Familie, doch schon früh trat sie insgeheim zum christlichen Glauben über. Es war die Zeit der Christenverfolgungen und so erzählte sie niemandem davon, nicht einmal ihrer Familie.
Als ihre Mutter schwer erkrankte pilgerte Lucia mit ihr bis nach Catania ans Grab der Heiligen Agatha. Das Wunder trat ein, Lucias Mutter wurde geheilt und die Heilige Agatha erschien Lucia im Traum um ihr den Märtyrer-Tod zu prophezeien. Selbst ihre Mutter willigte nach diesem Wunder ein, dass Lucia von nun an ein christliches und wie von ihr gewünscht, jungfräuliches, Leben führen könne und so wurde die Verlobung Lucias gelöst.
Lucia gründete mit ihrem Vermögen eine Armen- und Krankenstation und brachte den verfolgten Christen in ihre Verstecke Lebensmittel: Um ihre Hände frei zum Tragen zu haben, setzte sie sich einen Kranz mit Lichtern auf den Kopf. (Sehr passend, denn sie wird aufgrund ihres Namens auch die Lichtbringerin genannt. Der Name „Lucia“ kommt vom lateinischen „lux“, Licht.)
Warum wird sie mit einem Paar Augen auf einem Tablett dargestellt?
Lucia wurde von ihrem beinahe Ehemann beim Stadthalter als Christin angezeigt, dann festgenommen und laut Übertragung von einem Ochsenkarren zu Tode geschleift, mit siedendem Öl übergossen und ihre Augen ausgerissen. Andere behaupten sie hätte sich selbst ihre Augen ausgerissen.
Gestorben ist sie wahrscheinlich im Jahr 304 oder 310, an einem 13. Dezember. Deshalb wird ihr auch heute noch am 13. Dezember gedacht.
Und wie kam Lucia von Syrakus nach Venedig?
Lucia ist nach ihrem Tod noch viel herum gekommen.
1039 wurde ihr Körper von Giorgio Maniace, einem byzantinischen General, aus ihrem Grab in Syrakus entwendet und nach Konstantinopel gebracht: Ein Geschenk für die Kaiserin Theodora.
Nach dem 4. Kreuzzug kam Lucia mit Enrico Dandolo (dem Dogen) nach Venedig. Das war im Jahr 1204.
Lucia fand nun vorerst auf der Insel San Giorgio Maggiore Ruhe, dann in einer eigens ihre gewidmeten Kirche in Cannaregio am Canal Grande (Dort wo heute der Bahnhof steht. Es ist kein Zufall, dass der Bahnhof Santa Lucia genannt wird!). Als diese Kirche dem Bahnhof weichen musste, wurde Lucia Ende des 19. Jahrhunderts in die Kirche San Geremia überführt. Dort ruht sie sich heute noch mit Ausnahme des obigen Intermezzos im Jahr 1981.
Lucia, der Weihnachtsmann … ähm die Weihnachtsfrau
Anfang Dezember war es soweit. Die Kinder begannen ihre Briefe an die Heilige Lucia zu schreiben. (Sie bitten darin die Heilige um Geschenke. Erinnert euch das nicht ans Christkind?)
Lucia besucht dann die braven Kinder in der Nacht vom 12. auf den 13. Dezember; aber nicht auf einem Schlitten, sondern auf dem Rücken eines Esels. (Erinnert auch stark an die Nikolaus-Tradition, nicht wahr?)